Wir bedanken uns bei:


Die Niederösterreichische Versicherung

Alle unsere Sponsoren und Partner finden Sie HIER!

29.06.2012 06:00

Dorfrichter Adam und seine Vertreibung aus dem Paradies

OÖ Nachrichten, 29. Juni 2012 - Die herrschaftliche Bühne thront mitten auf dem Stadtplatz in Haag. Es ist noch kein Wort gesprochen, aber das Milieu definiert.


Adam (Andreas Patton) und Licht (Stefan Lasko, v.l., hinten) werden von Walter (Johannes Gabl) überrascht. Bild: Theatersommer / Simlinger

Das Amtszimmer der Gerichtsstube von Huisum (ein Bravo für Ausstattung/Bühne an Luis Graninger, Melitta und Kurt Rosner) verheißt deprimierenden Kleingeist und die Liederlichkeit des Richters, der sich fortan gut zwei Stunden lang plagt, um in der Sache mit dem „Zerbrochnen Krug“ den intellektuell überschaubaren Ruprecht anzupatzen.

Die Aktenschränke beherbergen ein fürchterliches Durcheinander, in einem davon schläft der Gerichtsdiener, der den Tag mit einer Dose Bier beginnt und mehrmals daran scheitert, seine Beine in die Hose einzufädeln. Eine ausrangierte Telefonzelle steht als Raucherraum da, ohnehin tun sich während des zeitlosen Kleist-Lustspiels mehrere mühelose Querverbindungen zur Gegenwart auf. Regisseurin Susi Weber betont ihre Handschrift, ohne Kleist ins Stück zu spucken.

Kleist und Columbo

„Der zerbrochne Krug“ hat etwas von Fernsehinspektor Columbo. In beiden Fällen kennt man den Täter, Wortwitz fliegt durch die Luft, und die Spannung offenbart sich über Finten und Wendungen, wie es nun diesmal angestellt wird, der Gerechtigkeit zum Sieg zu verhelfen. Der Mensch wird wie bei Untersuchungsausschüssen aus dem Paradies geschleudert. Bei Kleist heißt der Dorfrichter folgerichtig Adam, der die Jungfer Eve bedrängt und nach der Störung durch Eves Bräutigam Ruprecht den edlen Krug von Mutter Marthe zertrümmert.

Der Abend gerät hinreißend, vor allem weil der 2010 mit dem Nestroy-Preis gewürdigte Andreas Patton ein hervorragender Adam ist – gleichsam durchtrieben wie unsicher, überheblich wie devot, Opfer wie Täter, immer eindringlich wie glaubhaft. Stefan Lasko ist ihm als Schreiber Licht ebenbürtiger Partner und Widersacher in Personalunion. Und wie er – von Adam geschubst – über die Bühnentreppe stürzt, ist atemberaubend artistisch.

Vom Verwirrten zum Raubtier

Adam und Licht sind durcheinander, weil Gerichtsrat Walter (souverän amtlich: Johannes Gabl) angereist ist, um nach seiner Inspektion in Waidhofen (!) auch die Sinnhaftigkeit dieses Bezirksgerichts (!) zu evaluieren. Walter ist Beisitz, wenn die zerschlagene Keramik und Eves Ehre verhandelt werden. Patton lässt Adam vom Verwirrten zum Raubtier anschwellen und reißt Hannes Perkmann als Ruprecht und die um Gehör und Gerechtigkeit ringende Franziska Hackl als Eve mit. Babett Arens ist in ihrem Marthe-Zorn kaum zu bremsen.

Am Ende wird nichts gut, obwohl alles gesagt ist. Frau Brigitte – von Elfriede Schüsseleder als schnatterndes Weib gespielt, das es Adam heimzahlen will – bringt die Wahrheit ans Licht. Adam flieht, und mit ihm ist auch das unschuldige Glück von Eve und Ruprecht dahin – zerschlagen wie der Krug. Die über der Bühne angereihten Begriffe „Gerechtigkeit“, „Freiheit“ und „Brüderlichkeit“ haben sich zu „Feigheit“, „Geilheit“ und „Bürgerlichkeit“ verschoben.

Ein kurzweiliger und prächtiger Abend. Der Begriff Sommertheater greift in Stadt Haag zu kurz.