GREGOR BLOÉB - Der Impresario plaudert aus dem Nähkästchen
Mostviertel Magazin, März 2012 - Max Reinhardt sagte einst über das Theater: „Der seligste Schlupfwinkel für diejenigen, die ihre Kindheit heimlich in die Tasche gesteckt und sich damit auf und davon gemacht haben, um bis an ihr Lebensende weiterzuspielen.“
Dies trifft wohl auch auf den beliebten Intendanten des Haager Theatersommers, Gregor Bloéb, zu, der sich scheinbar das spitzbübische seiner Kindheit bewahrt hat. momag-Redakteur Didi Rath traf den künstlerischen Lebemenschen zum Small-Talk, um über die Bretter, die die Welt bedeuten, zu plaudern.
Was ist das Besondere am Theatersommer Haag?
Haag zeichnet sich dadurch aus, dass der Theatersommer gesund gewachsen ist. Dass es aus einem „intimen“ Kellertheater entstanden ist und dass die Bevölkerung behutsam hingeführt und eingebunden wurde. Immerhin haben wir mittlerweile 340 freiwillige Helfer- Innen, alle – also die Haager, die Schauspieler und die Partner – sind glücklich. Die Kritiken sind grandios und teilweise euphorisch und die Auslastung stimmt. Allein im Vorjahr hatten wir rund 15.000 Besucher. Das ist schon ein sehr gutes Gefühl und ich gebe auch gerne zu, dass ich darauf schon auch ein bisserl stolz bin. Andernorts überfallen Künstler oft die Städte, ohne dabei entsprechend sensibel zu sein. In Haag verläuft das alles etwas klüger.
Also entstand so eine Art Theaterkommune bzw. -familie?
Das sollte eigentlich das Grundprinzip jedes Sommertheaters sein. Jetzt einmal abgesehen vom Qualitätsanspruch ist es ja eine freiwillige Angelegenheit. Wir suchen uns schon keine „Zicken und Kotzbrocken“ aus. Unsere KünstlerInnen sind integre, liebevolle Mitmenschen, die Freude an der Sache haben.
Gibt es dann noch so etwas wie ein Casting?
Natürlich haben wir auch Vorsprechen, aber wir sind mittlerweile in der glücklichen Lage, auch auf ein befreundetes Netzwerk zurückgreifen zu können. Dadurch kommen auch immer wieder große Stars nach Haag. Obwohl Österreich eine Kulturnation ist, die ihre Theaterlieblinge kennt, muss man schon ein wenig aufpassen, denn im TV ist ja beinahe jeder Wetteransager bereits ein Publikumsliebling.
Mich freut es, dass unser hoher Qualitätsstandard auch ein Zugpferd ist und wir dadurch tolle KünstlerInnen engagieren können. Für die Qualität sprechen unsere Nestroy-Preisträger, für die Publikumslieblinge unsere Romy-Sieger.
Wie muss man sich eigentlich die Arbeit eines Intendanten vorstellen?
Vermehrt geht es um die künstlerische Verantwortung, wenngleich ich auch bedingt auf das Kaufmännische achten muss. Ich bin auch dabei, Sponsoren aufzutreiben. Noch wichtiger aber ist es, die bestehenden „Partner“ zu pflegen. Dies spricht auch für Haag, dass uns die meisten Firmen über Jahre die Treue halten.
Zu sehr verkaufen darf man sich dabei zwar auch nicht, aber wenn das Vertrauen auf beiden Seiten passt, dann ist es ein konstruktives Miteinander und man kann auf die einzelnen Wünsche besser eingehen. Als Intendant ist mir aber auch die Zusammenarbeit mit den Kulturverantwortlichen vor Ort wichtig, wie unsere Kooperation mit den Wirten. Darüber hinaus ist auch ein gutes Leading-Team wichtig, wo alle - egal ob Regie, Bühnenbild oder Kostüme - Eigenverantwortung tragen, doch die Fäden laufen bei mir zusammen. Ich begleite sie und mache schließlich das letzte Hakerl darunter, denn schließlich bin ich auch derjenige, der den Kopf dafür hinhält.
Heuer spielt ihr Heinrich Kleists „Der zerbrochene Krug“. Warum sollten unsere LeserInnen dieses Stück keinesfalls versäumen?
Weil es der Theaterklassiker schlechthin ist und eine der besten Komödien überhaupt.
Weil es für uns alle eine Herausforderung ist, mit Kleist wieder eine so tolle Theatersprache auf die Bühne zu bringen. Und weil die Besetzung (Andreas Patton, Babett Arens, Franziska Hackl, Anm.) so grandios ist, dass uns jedes deutschsprachige Theater darum beneiden könnte.
Neben der großen Stars gibt es auch heuer wieder „Local Heroes“ wie etwa Josef Forster.
Ja, aber nicht wegen irgendeines kaufmännischen Kalküls, sondern aus zwei Gründen:
Zum einen braucht sich das Theaterkellermitglied Forster keinesfalls vor den sogenannten Großen verstecken, weil er wirklich gut ist, und zum anderen ist die Wiedererkennung bei den Einheimischen auch wichtig. Eine Vermischung ist für beide Seiten fruchtbringend und inspirierend.
Wie wichtig ist das Rahmenprogramm – die „junior!senior!“-Produktion und die Perlenreihe?
Es ist beides sehr wichtig. Zu Ersteren habe ich selbst eine Theaterakademie ins Leben gerufen.
Als dann beim Kindercasting mehr als 100 BewerberInnen aufgetaucht sind, war mir klar, wie wichtig es ist, mit den Theaterliebhabern von morgen behutsam umzugehen. Abgesehen von der künstlerischen geht es dabei auch um eine pädagogische Verantwortung. Im Vorjahr haben wir auch noch die „zweite“ Generation, die SeniorInnen, dazu genommen. Das ganze Projekt war auch für mich so faszinierend, dass ich 2011 gleich selbst Regie geführt habe. Und bei der Perlenreihe ist es Gott sei Dank so, dass sich Vieles durch die hohe Qualität verselbstständigt hat. Waren es anfänglich Freunde aus besagtem Netzwerk, so ist es nun teilweise schon so, dass die KünstlerInnen selber anfragen, ob sie in Haag spielen „dürfen“.
Was ist für dich das Spannendste an deinem Beruf bzw. wie definierst du, ob ein Projekt erfolgreich war?
Ich genieße vor allem die Vielfalt meines Berufes und die Tatsache, dass ich nunmehr in der glücklichen Lage bin, mir die Engagements aussuchen zu können. Durch das Alter wird man auch sensibler, was die Stück- und Rollenwahl angeht. Ich lege immer großen Wert auf Gesamtpakete, also für mich spielt auch der Regisseur eine große Rolle. Ich liebe die Tiefe in Komödien wie Tragödien, wo ich die Tiefe suche und manchmal auch finde. Wirklich spannend ist oft, wie mich das Publikum wahrnimmt. Für die einen bin ich oft der, der im TV oder Kino die Kasperlrollen spielt, für die anderen bin ich immer der Bösewicht oder gar der Mörder.
Gibt es nach all den Jahren Bühnenpräsenz noch so etwas wie Premierenangst?
Sicher, denn erst das zeichnet einen Schauspieler aus. Der, der sich mit Bekanntem begnügt, wird dies vielleicht weniger spüren, als einer wie ich, der mit jeder Rolle Neuland betritt.
Deshalb ist die Angst völlig normal und gehört einfach dazu. Es ist ja auch jedes Mal eine neue künstlerische Herausforderung und nie das Gleiche – egal ob in kleineren Theaterkellern oder in großen Kinofilmen. Sobald man sich sicher fühlt, ist es schon schlecht um einen bestellt.
Ich weiß, dass bald die Produktion 2012 vor der Tür steht, aber da du deine Intendanz auf fünf Jahre befristet hast und diese 2013 ausläuft, sei die Frage gestattet: Wie geht’s weiter?
Stimmt, zuerst sollte heuer einmal alles gut laufen. Aber wenn ich schon aus dem Nähkästchen plaudern soll, bitte sehr: Quasi zu meinem Abschied 2013 ist ein eigenes Auftragswerk für Haag, also eine Welturaufführung in Co-Produktion mit der Wiener Josefstadt geplant, in der ich auch selbst wieder – nach Phileas Fogg und Cyrano – die Hauptrolle spielen werde. Mehr möchte ich aber dazu noch nicht verraten!


